Was ist psychedelische Therapie?
Eine Einführung in die Behandlung mit Ketamin, Psilocybin, MDMA
und anderen Substanzen

Psychedelische Therapie ist eine innovative Behandlungsform, bei der bewusstseinsverändernde Substanzen in einem therapeutischen Setting eingesetzt werden, um tiefgreifende psychische Heilungsprozesse zu unterstützen. In den letzten Jahren hat sich die Forschung rasant entwickelt – mit teils erstaunlichen Ergebnissen in der Behandlung von Depression, Angststörungen, posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) und Suchterkrankungen.
Doch was genau versteht man unter psychedelischer Therapie? Welche Substanzen werden verwendet?
Und wie läuft so eine Behandlung ab?
---
Was bedeutet „psychedelisch“?
Das Wort "psychedelisch" stammt aus dem Griechischen und bedeutet wörtlich „die Seele offenbarend“ (psyche = Seele, delos = sichtbar machen). Es beschreibt Substanzen, die das Bewusstsein, die Wahrnehmung und das emotionale Erleben tiefgreifend verändern können.
Psychedelische Therapie nutzt diese Eigenschaften gezielt, um Menschen zu helfen, festgefahrene Denk- und Gefühlsmuster zu durchbrechen, traumatische Erfahrungen aufzuarbeiten oder neue Perspektiven auf ihr Leben zu gewinnen.
---
Wie funktioniert psychedelische Therapie?
Psychedelische Therapie besteht in der Regel aus drei Phasen:
1. Vorbereitung: Hier wird in Gesprächen mit Therapeut:innen die innere Haltung, die Motivation und eventuelle Ängste geklärt. Auch medizinische Kontraindikationen werden ausgeschlossen.
2. Sitzung mit Substanz: In einem geschützten Raum wird die Substanz verabreicht. Die Patient:innen liegen meist mit Augenbinde und Musikbegleitung, während Therapeut:innen unterstützend zur Seite stehen. Die Sitzung dauert je nach Substanz zwischen 1 und 8 Stunden.
3. Integration: In den Tagen nach der Erfahrung werden die Erlebnisse therapeutisch aufgearbeitet und in den Alltag integriert. Dieser Schritt ist entscheidend für die langfristige Wirkung.
---
Welche Substanzen werden verwendet?
Im Rahmen der psychedelischen Therapie kommen verschiedene Substanzen zum Einsatz – je nach Indikation, rechtlicher Lage und therapeutischem Ziel. Hier die wichtigsten im Überblick:
---
1. Ketamin
- Als Medikament zugelassen: ja, seit 1969 (Ketalar). Anwendung in anderen Fällen als Anästhesie:
Ja (off-label), in der Schweiz und vielen Ländern (USA) in diese Anwendung legal.
- Wirkdauer: ca. 45–90 Minuten
- Anwendungsgebiete: Depression, Suizidalität, Angststörungen, PTSD, chronische Schmerzen u.a.
Ketamin ist ursprünglich ein Narkosemittel, das in niedriger Dosierung antidepressive und bewusstseinsverändernde Wirkungen entfaltet. Anders als klassische Psychedelika wirkt es nicht primär über den Serotonin-Rezeptor, sondern blockiert NMDA-Rezeptoren im Gehirn – was zu einer „Reset“-ähnlichen Wirkung führen kann. Dieser Effekt wurde erstmals im Jahr 2000 entdeckt.
> – Wissenschaftlicher Artikel in: Biological Psychiatry, 2000. Titel: Antidepressant effects of ketamine in depressed patients. Autoren: Berman, R. M., Cappiello, A., (u.a.)
> Studien zeigen, dass Ketamin oft innerhalb von Stunden zu einer signifikanten Besserung von Depressionen führt – besonders bei therapieresistenten Fällen.
> – Wissenschaftlicher Artikel in: Nature Medicine, 2024
---
2. Psilocybin
- Als Medikament zugelassen: nein: In klinischen Studien (z. B. in USA, UK, Schweiz) ,
Mit Sondergenehmigung (nur Schweiz) des BAG* auch in spezialisierten Zentren/Praxen.
- Wirkdauer: 4–6 Stunden
- Anwendungsgebiete: Depression, Angst bei Krebspatienten, Sucht, Zwangsstörungen
Psilocybin ist der psychoaktive Wirkstoff in sogenannten „Magic Mushrooms“. In der Therapie wird es als Reinsubstanz in kontrollierter Umgebung eingesetzt und kann tiefe emotionale und spirituelle Erfahrungen auslösen. Viele Patient:innen berichten von einem „Neustart“ im Denken und Fühlen.
> „Psilocybin-Therapie führte zu langanhaltender Linderung depressiver Symptome bei der Mehrheit der Teilnehmer.“
> – Wissenschaftlicher Artikel in: Johns Hopkins University, 2020
* Bundesamt für Gesundheit
---
3. MDMA (3,4-Methylendioxy-N-methylamphetamin)
- Als Medikament zugelassen: International noch nicht, aber Phase-3-Studien abgeschlossen.
Zulassung beantragt.
Ausnahme Schweiz: Sonderbewilligung gemäß Artikel 8 Absatz 5 BetmG vom BAG für Forschung und
Einzelanwendung am Patienten in spezialisierten Zentren/Praxen. (Stand 2025)
Australien: Seit 2023 in streng geregelten medizinischen Kontexten, nur durch speziell zugelassene
PsychiaterInnen legal anwendbar.
-
ausschließlich zur Behandlung von:
-
Posttraumatischer Belastungsstörung (PTSD)
-
(in Zukunft möglicherweise auch anderen Indikationen)
-
- Wirkdauer: 5–6 Stunden
- Anwendungsgebiete: Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)
MDMA, auch bekannt als „Ecstasy“, wirkt nicht halluzinogen, sondern „entaktogen“ – es fördert Empathie, Vertrauen und emotionale Offenheit. In der Therapie hilft es Patient:innen, traumatische Erinnerungen zu verarbeiten, ohne dabei emotional zu überfluten.
> „Zwei Drittel der Patient:innen zeigten nach drei MDMA-Therapiesitzungen keine PTBS-Symptome mehr.“
> – Wissenschaftlicher Artikel:MAPS-Studie, in: Nature Medicine, 2021
---
4. LSD (Lysergsäurediethylamid)
- Als Medikament zugelassen: nein. Anwendung Nur in Studien. Ausnahme Schweiz: Sonderbewilligung gemäß Artikel 8 Absatz 5 BetmG vom BAG für Forschung und Einzelanwendung am Patienten in spezialisierten Zentren/Praxen. (Stand 2025)
- Wirkdauer: 8–12 Stunden
- Anwendungsgebiete: Ängste bei unheilbarer Krankheit, Depression, Sucht
LSD ist eines der bekanntesten klassischen Psychedelika. In der Therapie kann es tiefgreifende Einsichten auslösen, das Selbstbild verändern und emotionale Prozesse aktivieren. Aufgrund der langen Wirkzeit ist der therapeutische Einsatz jedoch anspruchsvoll.
Forschung: Dr. Peter Gasser hat 2008 in der Schweiz nach 40 Jahren Forschungsverbot die erste grosse Studie über LSD Anwendung veröffentlicht. Diese ist ein Meilenstein für die weitere LSD Forschung geworden.
https://petergasser.ch/aktuell
---
5. Ayahuasca & DMT
- Als Medikament zugelassen: nein. Schweiz: nur DMT: Sonderbewilligung gemäß Artikel 8 Absatz 5 BetmG vom BAG für Forschung und Einzelanwendung am Patienten in spezialisierten Zentren/Praxen. (Stand 2025)
Nicht in Europa , aber Ayahuasca in traditionellen Kontexten (z. B. in Südamerika)
Ausnahmen Europa:
Spanien: Ayahuasca nicht verboten, aber DMT (Inhaltsstoff). Ayahuasca nur im religiösen Kontext geduldet, in kommerziellem Rahmen illegal und in manchen Fällen polizeilich verfolgt.
Niederlande: Bis 2018 legal, seit 2019 Import, Besitz und Verabreichung verboten, keine Ausnahmen für religiöse Gruppen.
- Wirkdauer: DMT: 10–30 Minuten (geraucht), Ayahuasca: 4–6 Stunden
- Anwendungsgebiete: Sucht, Depression, Sinnkrisen
Ayahuasca ist ein traditionelles Heilgetränk aus dem Amazonas, das den Wirkstoff DMT enthält. In schamanischen wie auch therapeutischen Kontexten wird es zunehmend im Westen erforscht. Erste Studien zeigen positive Effekte auf Depression und Substanzmissbrauch.
---
6. Weitere Substanzen
Esketamin (Spravato): patentiertes, 2019 in USA und 2020 in EU und der Schweiz zugelassenes Medikament mit den selben Wirkungen wie Ketamin.
- Als Medikament Zugelassen: ja, FDA 2019, EU und Swissmedic 2020.
Anwendung nur durch Psychiater und psychatrische Zentren mit spezieller Zulassung.
Vorteile: Es handelt sich um das einzige zugelassene psychedelisch wirksame Medikament ohne off-Label Anwendung. Es kann in der Schweiz in Sonderfällen von der Krankenversicherung übernommen werden.
Nachteil: Der Preis ist ca 10-12 mal höher als der von Ketamin.
Meskalin:
Meskalin ist ein natürlich vorkommendes, psychedelisches Alkaloid, das vor allem in bestimmten Kakteenarten vorkommt – insbesondere im Peyote-Kaktus (Lophophora williamsii), San Pedro (Echinopsis pachanoi) und Peruanischer Kaktus (Echinopsis peruviana).
Meskalin wirkt stark bewusstseinsverändernd – mit visuellen Halluzinationen, verstärkter Sinneswahrnehmung und oft tiefen spirituellen Einsichten.
Die Wirkung setzt nach ca. 1–2 Stunden ein und hält 8–12 Stunden an.
Anwendung:
Traditionell wird Meskalin seit Jahrhunderten in indigenen Zeremonien verwendet, insbesondere bei den Huichol und Navajo in Nord- und Mittelamerika. In modernen Kontexten wird es teils in religiösen oder psychotherapeutischen Settings eingenommen – meist als Tee, Pulver oder getrockneter Kaktus.
Trotz des wachsenden Interesses an der therapeutischen Nutzung von Psychedelika konzentriert sich die aktuelle Forschung hauptsächlich auf Substanzen wie Psilocybin und MDMA. Zu Meskalin gibt es nur begrenzte Studien. Risiken bei der Anwendung sind nicht auszuschliessen, da nicht genau bekannt.
Als Medikament zugelassen: nein. EU: Meskalin verboten, Pflanzen in manchen Ländern erlaubt.
USA: Für bestimmte indigene religiöse Gruppen erlaubt
Südamerika: im rituellen Kontext in Mexiko und Brasilien häufig erlaubt.
Schweiz: Meskalin verboten, Pflanzen erlaubt.
---
Für wen ist psychedelische Therapie geeignet?
Psychedelische Therapie kann hilfreich sein bei:
- Therapieresistenter Depression
- Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS)
- Angststörungen
- Suchterkrankungen (Alkohol, Nikotin etc., vielleicht auch Opiate )
- Zwangsstörungen, auch besondere Fälle von Ess-Störungen
- Existentiellen Krisen und Sinnfragen
Allerdings ist sie nicht geeignet für Menschen mit:
- Psychotischen Störungen (z. B. Schizophrenie), auch bei Vorkommen in der Familie
- Schweren Persönlichkeitsstörungen
- Instabiler emotionaler Verfassung
- Ungesichertem sozialen Umfeld
Ein gründliches medizinisch-psychologisches Screening ist Voraussetzung für die Teilnahme an einer Therapie.
---
Ist psychedelische Therapie legal?
Wie oben beschrieben ist die Schweiz international Vorreiterin in der Forschung, Entwicklung und Anwendung dieser innovativen Therapie.
Die rechtliche Lage variiert international stark je nach Land und Substanz:
- Ketamin: In vielen Ländern off-label zugelassen für Depression.
- Psilocybin & MDMA: Nur in klinischen Studien erlaubt, in der Schweiz auch in direkter medizinischer Anwendung mit Sondergenehmigung. Legalisierung in mehreren Ländern im Gange (z. B. Australien, USA).
- LSD: Nur in klinischen Studien erlaubt, in der Schweiz auch in direkter medizinischer Anwendung mit Sondergenehmigung
- Ayahuasca, DMT: In der Regel illegal, Ausnahmen im religiösen oder medizinischen Kontext, speziell in Südamerika.
Wichtig: Seriöse Anbieter arbeiten immer im Rahmen von Studien, medizinischer Zulassung oder unter ärztlicher Supervision.
---
Können Psychedelika süchtig machen?
Klassische Psychedelika wie Psilocybin, LSD oder Meskalin gelten nicht als körperlich suchterzeugend. Im Gegenteil, einige Substanzen werden sogar zur Behandlung von Sucht eingesetzt. Sie führen in der Regel nicht zu körperlicher Abhängigkeit oder Entzugssymptomen. Auch psychische Abhängigkeit ist selten, da die intensiven Erfahrungen oft nicht zu regelmäßigem Konsum verleiten. Substanzen wie Ketamin oder MDMA hingegen haben ein moderates Suchtpotenzial, besonders bei unsachgemäßem oder rekreativem Gebrauch. Entscheidend sind Dosierung, Frequenz und der Kontext der Anwendung.
---
Wie giftig/toxisch sind Psychedelika?
Klassische Psychedelika wie Psilocybin, LSD oder Meskalin gelten als sehr gering toxisch – eine lebensbedrohliche Überdosis ist extrem selten. Im Vergleich dazu sind Alkohol und Nikotin deutlich toxischer und führen weltweit zu Millionen Todesfällen pro Jahr. Koffein ist mittelgradig toxisch, kann in sehr hohen Dosen aber ebenfalls gefährlich sein. Koffein ist 1 ½ mal toxischer als z.B. Psilocybin.
Insgesamt zeigen Studien, dass Psychedelika bei verantwortungsvoller Anwendung eine deutlich niedrigere körperliche Gefährdung aufweisen als viele Alltagsdrogen.
---
Fazit: Eine neue Ära der Psychotherapie?
Psychedelische Therapie steht sinnbildlich für einen Paradigmenwechsel in der Psychiatrie:
Weg von symptomunterdrückender Medikation – hin zu tiefgreifender, erfahrungsbasierter Heilung.
Die aktuelle Studienlage ist vielversprechend, doch es braucht qualifizierte Begleitung, ethische Standards und eine gute Integration. Nur dann können psychedelische Substanzen ihr volles Potenzial entfalten – nicht als „Wundermittel“, sondern als Werkzeuge für echte innere Veränderung.
---
Hinweis:
Dieser Artikel dient nur zu Informationszwecken. Psychedelische Substanzen sollten niemals ohne medizinische Begleitung oder ausserhalb legaler Rahmenbedingungen konsumiert werden.