Potential der psychedelischen Therapie: Studienlage
- Edgar Mestre
- 23. März
- 3 Min. Lesezeit
In den letzten Jahren hat die Forschung zu psychedelischen Substanzen wie Psilocybin, MDMA und LSD signifikante Fortschritte gemacht, insbesondere im Hinblick auf ihre potenzielle Anwendung in der Behandlung psychischer Erkrankungen. Aktuelle Studien und Entwicklungen unterstreichen sowohl das therapeutische Potenzial als auch die Herausforderungen bei der Integration dieser Substanzen in die klinische Praxis.
Klinische Studien und Zulassungen
Laut der EU-Datenbank für klinische Studien wurden bis April 2024 insgesamt 29 Studien zu Psychedelika bei zentralnervösen Erkrankungen registriert, darunter 19 mit Psilocybin,
7 mit MDMA und 3 mit LSD. Diese Studien zielen darauf ab, die Wirksamkeit und Sicherheit dieser Substanzen bei verschiedenen Indikationen zu evaluieren.
Australien hat bereits MDMA und Psilocybin für bestimmte psychische Gesundheitsindikationen zugelassen, während die Ukraine den Einsatz von MDMA zur Behandlung von kriegsbedingter PTBS erforscht.
In der Schweiz wurden seit 2014 klinische Studien mit MDMA und LSD wieder aufgenommen, was auf ein wachsendes internationales Interesse an der medizinischen Nutzung dieser Substanzen hinweist.
Regulatorische Herausforderungen
Trotz vielversprechender Ergebnisse stehen die Zulassungsbehörden vor wissenschaftlichen, rechtlichen und implementierungsbezogenen Herausforderungen. Dazu zählen die Aufrechterhaltung von Doppelblindbedingungen aufgrund der subjektiven Effekte von Psychedelika, die Bestimmung optimaler therapeutischer Dosen, die Sicherstellung langfristiger Wirksamkeit, die Integration von Psychotherapie in die Behandlung sowie das Management potenzieller Nebenwirkungen wie Angst und Abhängigkeit. Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) betont die Notwendigkeit robuster und umfassender Evidenz, bevor eine Änderung der Einstufung dieser Substanzen in Betracht gezogen werden kann.
Neuroplastizität und Wirkmechanismen
Aktuelle Übersichtsarbeiten untersuchen die Auswirkungen klassischer (z. B. LSD, Psilocybin) und nicht-klassischer Psychedelika (z. B. Ketamin, MDMA) auf die Neuroplastizität. Tierstudien deuten darauf hin, dass Psychedelika die Sensitivität des Nervensystems erhöhen und Entwicklungsfenster für langfristige strukturelle Veränderungen öffnen könnten, was Implikationen für Stimmung und Verhalten hat. Die Übertragung dieser Erkenntnisse auf den Menschen steht jedoch vor Herausforderungen, insbesondere aufgrund der begrenzten Möglichkeiten aktueller Bildgebungstechniken.
Sicherheit und Nebenwirkungen
Obwohl Psychedelika in der medizinischen Anwendung als sicher gelten, ist es entscheidend, die spezifischen Herausforderungen und potenziellen Risiken dieser neuen Therapieansätze sorgfältig zu bewerten. Überhöhte Erwartungen und eine unzureichende Risiko-Nutzen-Abschätzung könnten sowohl den Patienten als auch dem Ansehen der Behandelnden schaden. Es wurden beispielsweise Einzelfälle berichtet, in denen unter Psilocybin-Therapie Suizidgedanken und selbstverletzendes Verhalten häufiger auftraten als unter Placebo.
Wir müssen auch bedenken, dass diese Nebenwirkung bei einer Reihe von Antidepressiva auftritt. Studien zur Quantifizerung beider Gruppen stehen noch aus.
Andererseits zeigen systematische Übersichtsarbeiten, dass eine psychedelische Therapie die Suizidalität in bestimmten Patientengruppen auch signifikant verringern kann.
Fazit
Die Integration psychedelischer Substanzen in die therapeutische Praxis zeigt vielversprechende Ansätze für die Behandlung verschiedener psychischer Erkrankungen.
Die persönlichen Erfahrungen bei unseren PatientInnen stimmen sehr optimistisch bezüglich Effektivität und Sicherheit.
Dennoch sind weitere umfassende Studien erforderlich, um ihre langfristige Wirksamkeit und Sicherheit zu gewährleisten. Medizinisches Fachpersonal sollte sowohl das Potenzial als auch die Risiken dieser Therapieformen sorgfältig abwägen und sich kontinuierlich über aktuelle Entwicklungen informieren.
Quellen:
🔬 1. Klinische Studienlage und internationale Entwicklung
Sessa B, De Gregorio D, Gonzalez D, et al. *Psychedelic-assisted therapy: A review of clinical practice and future outlook.
Frontiers in Psychiatry. 2024.
📄 DOI: [10.3389/fpsyt.2024.1285180](https://doi.org/10.3389/fpsyt.2024.1285180)
> Diese umfassende Übersichtsarbeit fasst die internationale Studienlage zu Psilocybin, MDMA und LSD zusammen und beleuchtet die regulatorischen Entwicklungen, u. a. in Australien und der Schweiz.
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🧠 2. Wirkmechanismus & Neuroplastizität
Cai X, Lee J, Hao J, et al.: Psychedelic-induced neuroplasticity: Mechanisms, evidence, and relevance for mood disorders.
Biological Psychiatry. 2023.
📄 DOI: [10.1016/j.biopsych.2023.02.009](https://doi.org/10.1016/j.biopsych.2023.02.009)
> Diese Studie untersucht die Effekte psychedelischer Substanzen auf synaptische Plastizität und kritische Entwicklungsfenster – insbesondere im Kontext von Depression.
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🌍 3. Regulatorische Herausforderungen (EMA, TGA, FDA)
Rucker JJ, Iliff J, Nutt DJ. : Psychedelics in the treatment of mental illness: Current advances and therapeutic potential.
Ther Adv Psychopharmacol. 2018;8(12):233–240.
📄 DOI: [10.1177/2045125318759323](https://doi.org/10.1177/2045125318759323)
> Beschreibt u. a. die regulatorischen Hürden und Anforderungen an zukünftige Zulassungsverfahren in Europa und den USA.
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⚠️ 4. Sicherheit, Suizidalität, Nebenwirkungen
Gukasyan N, Davis AK, Barrett FS, et al. Evaluation of the efficacy and safety of psilocybin in patients with major depressive disorder: A randomized clinical trial.
JAMA Psychiatry. 2021;78(5):481–489.
📄 DOI: [10.1001/jamapsychiatry.2020.3285](https://doi.org/10.1001/jamapsychiatry.2020.3285)
> Diese randomisierte Studie weist sowohl auf signifikante antidepressive Effekte von Psilocybin als auch auf das Risiko emotionaler Instabilität und akuter Belastungsreaktionen hin.
Bespalov AY, Ponomarev D.: Suicidality in psychedelic therapy: signal or artifact?
Neuropsychopharmacology Reviews (2023).
📄 [PMID: 37784400](https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/37784400/)
> Diskussion über die Hinweise auf Suizidalität in frühen Studien und deren Interpretation im Gesamtkontext.
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📈 5. Australien: Zulassung MDMA und Psilocybin (2023)
Therapeutic Goods Administration (TGA), Australia
Announcement: TGA approves the medical use of MDMA and psilocybin under Schedule 8.*
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